Matthias Falke
Boa Esperança
in: Michael Haitel [Hrsg.], Boa Esperança
(Story Center 2009, Band 2, AndroSF Band 5)
Books on Demand/p.machinery
Was geht einem Raumfahrer durch den Kopf, der ohne Aussicht auf Rettung hilflos im All treibt und dessen Sauerstoff nur noch für wenige Stunden reicht? Man könnte annehmen, dass er mit seinem Schicksal hadert und mit dem übermächtigen Gegner, der ihn im wahrsten Sinne des Wortes seines Kommandos enthoben und in die tödliche Schwärze geschleudert hat. Von seinem Schiff und dem Rest der stolzen terrestrischen Flotte sind – wenn überhaupt – nur Trümmer übrig geblieben. Und diesen ähnlich ziehen die Fragmente seines Lebens vor dem geistigen Auge jenes Sven-Erkki Fabian vorüber, der anfangs nüchtern die Daten des Lebenserhaltungssystems protokolliert.
Doch wir haben es hier nicht mit einem engstirnigen Militär, einem Starship Trooper, zu tun, der in auswegloser Situation kurzerhand den Raumanzug öffnet. Er ist eher jenen antiken Feldherren vergleichbar, die ein Gegengewicht in Kultur und Kunst suchten. Und so verlagern sich seine Gedanken vom Wiedergeben nackter Computerdaten mehr und mehr zum Nachsinnen über das, was durch seinen Tod verloren geht. Wie ein zum Selbstmord getriebener römischer Philosoph in seinen letzten Stunden lässt er uns an den wichtigsten Stationen seines Lebens teilhaben – seine Abgrenzung gegen die banale Lebenswelt seiner Gleichrangigen und Untergebenen an Bord, seine Hingabe an Literatur und Musik und insbesondere seine Beziehung zu Berenice Mac Arthur, genannt Boston.
Matthias Falke bedient sich einer scheinbar einfachen, tatsächlich ausgefeilten Sprache. Durch den Kunstgriff, dass die Aufzeichnungen des Protagonisten niemals gefunden werden und er somit absolut ehrlich sein kann, gelingen ihm jedoch tiefe Betrachtungen über die »conditio humana«. Dies hat das Preiskomitee des Deutschen Science-Fiction-Preises bewogen, dieses Werk als »Beste deutschsprachige Kurzgeschichte« 2010 auszuzeichnen.
Für das Preiskomitee
Thomas Recktenwald