Andreas Eschbach:
Die Haarteppichknüpfer
Ein kosmisches Imperium – mutige Rebellen im Kampf gegen einen bösen Imperator – und ein Rätsel um eine verschollene Galaxis… das sind unter anderem die Ingredenzien für den diesjährigen Preisträger.
… klingt das nicht wie das klassische Rezept für eine nur auf Unterhaltung bedachte Space Opera im Stil der 50er? Also ein Buch mit eindimensionalen Charakteren, und statt Tiefgang seitenweise Raumschlachten und große Helden mit markigen Sprüchen?
Nein, denn schon zu Beginn muß sich der Leser mit einer gar seltsamen Idee anfreunden: Alles beginnt an einem Ort, an dem ein Teil der männlichen Bevölkerung sein ganzes Leben nichts anderes tut, als aus den Haaren ihrer Frauen Teppiche für den Palast des glorreichen Kaisers zu knüpfen.
Für jeden Teppich steht dabei ein komplettes Leben voller Arbeit am Webstuhl und jede Menge Vorsicht, denn wie leicht reißen menschliche Haare und wie groß ist die Schande, wenn gar einmal ein Teppich vernichtet wird! Was soll dann aus der Familie werden, die doch immer jeweils vom Erlös des Teppichs des Vaters lebt?
Alle Teppiche werden von Beauftragten des Kaisers aufgekauft und zu einem Hafen abtransportiert. Jetzt stelle man sich aber nicht nur eine Kleinstadt oder eine Provinz vor, in der die Knüpfe am Werk sind und ihre fertigen Teppiche an die Händler des Kaisers liefern, sondern einen ganzen Planeten auf dem solches geschieht! Wie groß muß ein Palast sein, der damit ausgelegt wird?
Doch es kommt noch schlimmer. Was, wenn nicht nur ein Planet für den Kaiser Auslegeware produzierte, sondern eine komplette Galaxis? Welch große Fläche könnte man erst damit abdecken!
Andreas Eschbach ist mit seinem Erstlingswerk das Kunststück gelungen, einen Roman zu verfassen, der den Leser von der ersten bis zur letzten Seite gefangen hält und am Ende mit einer Tragödie konfrontiert, die galaktische Dimensionen hat und doch geradezu mit einer bestechenden Logik erfolgt.
„Die Haarteppichknüpfer“ ist ein spannendes und immer wieder überraschendes Buch, das vor allem durch seine ungewöhnliche Erzählweise fesselt. Denn der Leser muß auf eine durchgehende Hauptperson, oder gar Helden, verzichten und bekommt die Geschichte nur in Episoden, ähnlich kleinen Puzzleteilen, erzählt, deren Charaktere oft genug am Ende den Tod finden. Erst mit der Zeit finden sich passende Puzzlestücke, man beginnt zu spekulieren und nachzudenken und erkennt ein erstes Muster, eine Ahnung des Gesamtbildes…
Es ist gerade diese gelungene und beinahe schon mathematisch zu nennende Konstruktion eines durchgehenden Spannungsbogens, die diesem Buch seinen besonderen Reiz verleiht.
Für diesen Roman, der beweist, daß große Science Fiction nicht auf literarische Qualitäten verzichten darf und den Leser gleichzeitig unterhalten und zum Nachdenken anregen kann, gebührt Andreas Eschbach nach Meinung des Komitees der diesjährige SFCD-Literaturpreis in der Sparte Roman.
Florian Breitsameter
– für das Literaturpreiskomitee –
Juli 1996