Frank W. Haubold:
Die Schatten des Mars
Martin Lundgren träumt schon als Kind von einer leuchtenden Stadt auf dem Mars, ähnlich wie der Biokybernetiker Julius Fromberg und die Ballerina Lena Romanova. Lundgren schafft es schließlich, der erste Mensch auf der Marsoberfläche zu sein, auch wenn bei der Landung etwas schiefgeht. Nach und nach sammeln sich einige Menschen mit seltsamen Träumen auf dem Mars, während auf der Erde der Krieg gegen das Shariat immer schlimmer wird. Die Situation auf dem Mars wird immer schwieriger, schließlich wird die Besiedlung ganz aufgegeben. Nur die wenigen Menschen mit den Träumen bleiben zurück und finden schließlich ihre Erfüllung in der unterirdischen Stadt der Marsianer.
Ein ungewöhnlicher Roman, stellenweise seltsam. Er erschließt sich dem Leser nicht direkt, sträubt sich manchmal sogar ein wenig. Frank W. Haubold gelingt es nämlich, eine einzigartige Stimmung zu erzeugen und über die ganze Länge ohne Brüche aufrechtzuerhalten. Diese ist schwer zu beschreiben: melancholisch, ohne dabei traurig oder pessimistisch zu sein.
Vorhergehende Veröffentlichungen haben bereits gezeigt, daß einige der Einzelgeschichten auch unabhängig bestehen können. Der Episodenroman beweist nun, daß sich diese Geschichten nicht nur sehr gut zu einem größeren Ganzen fügen, sondern in ihrer Gesamtheit auch in eine neue Qualität umschlagen. Dabei reiht Haubold die Einzelteile nicht einfach aneinander, sondern ordnet sie chronologisch, was bei einigen Geschichten dazu führt, daß sie geteilt werden. Es ergibt sich ein Flechtwerk von zunächst unabhängigen Erzählsträngen, die von vornherein durch die außergewöhnliche Stimmung miteinander verbunden sind und nach und nach enger miteinander verwoben werden. Dadurch entsteht ein dichtes Gespinst miteinander verknüpfter Schicksale.
Frank W. Haubold gelingt es hier, Aliens im wahrsten Sinne des Wortes vorzustellen: Sie sind völlig fremd, so fremd, daß Menschen sie nicht einmal richtig wahrnehmen können. Haubold bedient sich der Erkenntnis, daß weniger manchmal mehr ist: Die Marsianer werden größtenteils nur angedeutet. Das macht sie viel rätselhafter, als wenn ihre Andersartigkeit lang und breit dargestellt worden wäre.
Ein ungewöhnlicher Roman, der sich abseits der üblichen Klischees der Science Fiction bewegt. Dem bekannten Thema Mars wird eine ganz neue und doch altbekannte Facette abgewonnen, die konsequent durcherzählt wird. Die Einzelgeschichten verweben sich zu einer Welt mit einer ganz eigenen Stimmung. Das Buch ist nicht leicht zugänglich, aber wer sich darauf einläßt, wird mit einem einzigartigen Lesegenuß auf einem Niveau belohnt, das dem literarischem Stand des beginnenden Jahrtausends mehr als angemessen ist. Daher freut sich das Komitee, den Deutschen Science Fiction Preis 2008 in der Kategorie Roman an den Episodenroman »Die Schatten des Mars« von Frank W. Haubold zu verleihen.
©2008 Martin Stricker für das Preiskomitee des DSFP