Michael Marrak:
Wiedergänger
Michael Marrak ist nach Meinung des Preiskomitees derzeit einer der begabtesten deutschen Phantasten. So ist es wenig verwunderlich, dass im letzten Jahr bereits die titelgebende Erzählung aus seiner Sammlung „Die Stille nach dem Ton“ mit dem Deutschen Science Fiction Preis ausgezeichnet wurde.
Auch in diesem Jahr hat eine Kurzgeschichte von ihm das Komitee besonders überzeugt. Doch der Inhalt von „Wiedergänger“ ist schwer in Worte zu fassen. Probieren wir es trotzdem.
Was passiert, wenn man einen ehemaligen Soldaten des 21. Jahrhunderts plötzlich einer virtuellen Welt aussetzt? Natürlich gibt es Probleme. Denn eine Welt, die an Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ erinnert, ist für ihn zumindest eine ziemlich ungewohnte Umgebung. Und mit diplomatischen Missionen ist er als Krieger auch nicht gerade sehr vertraut.
Das BRAS, zu dem er im Auftrag der Menschheit Kontakt aufnehmen soll, ist eine Art Seelenspeicher, eine Sphäre voll schöpferischer Persönlichkeiten und Koryphäen und damit in seiner virtuellen Erscheinungsform eine bunte Wunderwelt voller Märchengestalten und unbekannten Gefahren. Nun soll auch das militärische Wissen dieses Ideensilos genutzt werden, doch unser Held hat Probleme sich mit der Tatsache abzufinden, dass er hilflos der Willkür des BRAS ausgeliefert ist.
Bei der „Wiedergänger“ ist Michael Marrak mit einer gehörigen Portion Spaß und Fabulierlust ans Werk gegangen und herausgekommen ist eine Geschichte, die zwischen Phantastik und Science Fiction zu schweben scheint. Die Welt bleibt zu unverstanden, um rational genug für die SF zu sein und ist doch zu sehr auf bekannten Elementen aufgebaut um dem Gedanken der Phantastik zu entsprechen. Und so ist es eine Erzählung, die aus dem Augenblick heraus lebt. Während der Lektüre wird der Leser in eine geheimnisvolle Ideenwelt entführt, deren Grundlage und Prinzip er wie der Held auch nicht verstehen kann. Und doch landet er schlussendlich wieder sanft auf dem Boden der vermeintlichen Realität mit der Erinnerung an ein mysteriöses Abenteuer in einer Welt hinter dem Spiegel…
Es ist dem Preiskomitee des Deutschen Science Fiction Preises 2000 deshalb eine besondere Freude, Michael Marrak bereits zum zweiten Mal in Folge für die beste Kurzgeschichte des vergangenen Jahres auszuzeichnen.
Dr. Florian Breitsameter
– für das Preiskomitee –
Oktober 2000