Laudatio 2018 Beste deutschsprachige Kurzgeschichte

»Das Internet der Dinge« von Uwe Hermann
in: x [Hrsg.], »Spektrum der Wissenschaft, Nr. 6 / 2017«
Verlag, ISSN 0170-2971

Geschichten über das Internet der Dinge, in denen Protagonisten vor dem vollen Kühlschrank verhungern oder von ihren Häusern gefangen gehalten oder von selbstfahrenden Autos an entlegene Stellen verfrachtet werden, sind hinlänglich bekannt. Viele Autoren machen sich Gedanken darüber, was passieren könnte, wenn die Maschinen das Kommando übernehmen – die meisten sehen in dieser Hinsicht echt schwarz. Die Kurzgeschichte »Das Internet der Dinge« von Uwe Hermann zeigt, dass man das Problem auch anders sehen kann.

Die Milch ist alle und der Kühlschrank fürchtet, sein Mensch könne schlechtgelaunt in den Tag starten, wenn es ihm nicht gelingt, für Nachschub zu sorgen. Bevor der Kühlschrank erste Schritte unternehmen kann, meldet die Wohlfühlmatratze, dass es diesem Menschen gar nicht gut geht.

Alles deutet darauf hin, dass sich ein Herzinfarkt ankündigt, der dem Menschen sein Leben rauben wird. Die Küchenmaschinen kommen ins Spiel: Kühlschrank, Kaffeemaschine, Toaster, Radio, Wohlfühlmatratze – sie alle wollen ihren Menschen retten und beratschlagen, wie das am besten zu bewerkstelligen sei. Sie versuchen, einen Notruf abzusetzen, scheitern aber, weil der Hausrouter sie nicht ernst nimmt. Schließlich hat der Kühlschrank eine Idee, die allerdings ein Opfer erfordert…

Obwohl der Plot der Geschichte einen je nach Sichtweise durchaus ernsthaften Hintergrund hat und repräsentiert, garniert Uwe Hermann seine Geschichte mit einer ordentlichen Portion Optimismus und mit viel Humor. So lässt er zum Beispiel den billigen Radiowecker nicht an den Beratschlagungen teilnehmen, weil der nur Koreanisch spricht. Uwe Hermanns Umgang mit dem Thema ist fern jeglichen Slapsticks, des Humors um der Pointe willen. Vielmehr versucht er mittelbar auch Hoffnung zu geben, indem er unauffällig daran erinnert, dass jede Medaille zwei Seiten hat. Mit der Schlusspointe wird der Kreis gekonnt geschlossen.

Wer die Story nicht kennt, der kann sie nicht nur lesen, sondern auch als Zeichentrickfilm ansehen, der mithilfe von Uwe Post und diversen Stimmgebern sehenswert umgesetzt wurde.

Wer Uwe Hermann nicht kennt, wird mit dieser Geschichte auf jeden Fall zur Erkenntnis gelangen, das Werk eines humorvoller Mensch gelesen zu haben.

Das Komitee des Deutschen Science-Fiction-Preises war der Ansicht, dass die Kurzgeschichte »Das Internet der Dinge« mitsamt ihrem Autor Uwe Hermann den Preis für die beste Kombination aus Ernsthaftigkeit und Humor mehr als verdient hat.

Marianne Labisch
– für das Preiskomitee –
im September 2018