Laudatio 1991 Bester deutschsprachiger Roman

Herbert W. Franke:
Zentrum der Milchstraße

Der Wissenschaftler Alvin Katz wurde um Job und Freundin gebracht und landet auf der Straße, wo er von einer Kirchengemeinde gerettet und in ein Kloster gebracht wird. Das Kloster entpuppt sich als Forschungsstätte modernster Prägung, in die Katz nach und nach Einblick erhält, nachdem er sich an das Klosterleben angepaßt und seine Identität und seinen eigenen Willen fast völlig aufgegeben hat.

Zugleich beginnt die Geschichte einer Frau, die nach Katz sucht, ohne sich über Motive ihrer Suche so recht im klaren zu sein. Sie verstrickt sich dabei immer mehr in ein verwirrendes Netz aus Informationen, Geheimnissen, Sicherheitsabteilungen und Geheimdiensten.

Die Auseinandersetzung in diesem Buch betrifft vor allem die Frage, ob sich die moderne Theologie der Wissenschaft bedienen kann oder sogar muß und ob die Unstimmigkeiten zwischen den beiden Bereichen zu Lasten der Theologie oder der Wissenschaft gehen.

Es dreht sich um Quantenmechanik und Kosmologie sowie um das faustische Thema „zu wissen, was die Welt zusammenhält“. Hier stoßen Theologie und wissenschaftliche Erkenntnis hart aufeinander. Gegensätze? Ist es Blasphemie, wenn man mittels eines Computerprogrammes die wahrnehmbare Umgebung (Realität?) verändern kann – oder ist es Gottes Wille, daß der Mensch die ihm gegebene Gabe des Verstandes auch ausnutzt? Dient dies alles nur dem Erkennen auf einer höheren Ebene?

Neben einer spannenden und intelligent konzipierten Geschichte schreibt Franke, wie man von ihm gewohnt ist, ein wissenschaftlich orientiertes Buch, welches doch einige wissenschaftliche Vorkenntnisse vom Leser fordert, wenn er es richtig goutieren will.

Kein Buch mit den üblichen schnell dahingeschluderten pseudowissenschaftlichen Erfindungen und Sensatiönchen des Genres. Ein Buch, das sich mit seiner Nachdenklichkeit von den üblichen oberflächlich-unterhaltsamen Produkten wohltuend abhebt und vermutlich eine Langfrist-Wirkung haben wird. Ein Buch, das keinem Trend nachjagt, stattdessen zum Wiederlesen reizt. Welch besseres Kompliment kann man einem Buch machen?