Gisbert Haefs:
Traumzeit für Agenten
Agenten führen ein gefährliches Leben – besonders wenn sie wie Duncan Delgado für ein offiziell nicht existierendes Ministerium arbeiten. Man kennt das Spielchen ja aus „Mission: Impossible“. Sollte etwas schiefgehen, so kann man keine Hilfe erwarten und sich nicht einfach auf seinen Geheimauftrag berufen.
Doch dies ist kein einfacher Agententhriller und Duncan Delgado auch „kein fahrender Ritter, der den Bedrängten beisteht und die Hochmütigen niederringt“. Ihm geht es zuerst einmal um seine Bezahlung und die Möglichkeit, nebenbei auch sein leben wieder etwas interessanter zu gestalten, einen wie auch immer gearteten Ehrgeiz nach Karriere besitzt er nicht. Kein Wunder also, daß er auf andere wie eine „Maschine, Reaktionsmasse ohne Aktion – Fernlenkwaffe ohne eigenes Ziel wirkt“…
Der Auftrag erscheint logisch und unkompliziert. Auf einer Kolonialwelt rebellieren die Ureinwohner gegen die Siedler, die die reichen Bodenschätze des Planeten ohne Rücksicht auf die Natur ausbeuten. Da ein Konflikt unausweichlich scheint, soll Delgado Kontakt mit den Rebellen aufnehmen und die Entwicklung beschleunigen, ein Schwelbrand soll kurzzeitig angefacht werden, um dann ebenso rasch wieder durch eine dann mögliche diplomatische Intervention von außen erstickt zu werden.
Doch ist dies keine einfache Agentenstory, sondern ein waschechter Science-Fiction-Roman. Und so muß Delgado schon bei seiner Ankunft feststellen, daß es den Rebellenführer, mit dem Kontakt aufnehmen soll, gar nicht gibt und der Planet noch zahlreiche weitere Ungereimtheiten aufzuweisen hat. Dabei wird er letztendlich dazu gezwungen, die Initiative in diesem geheimnisvollen Spiel zu übernehmen, um sein Überleben zu sichern.
Gisbert Haefs gelingt es mit „Traumzeit für Agenten“ nicht nur, eine bis zum Schluß spannende Story zu erzählen, sondern er nutzt auch jede Gelegenheit, um ein überzeugendes Bühnenbild abzuliefern. Betrachtet man sich die Kulturen der erde, so wirken viele SF-Werke erbärmlich langweilig und antiseptisch und spotten oft genug ihrem Genre. Nicht so die Welt des Duncan Delgado: Er genießt nebenbei fremdartige Leckerbissen, erlebt eine fremde Flora und Fauna und muß sich mit Eingeborenen auseinandersetzen, deren Riten und Glauben nie richtig untersucht wurden. Durch Lexikoneinträge und Fußnoten fühlt man sich als Leser oft ein wenig so, als ob man einen Reisebericht über ein fernes Land liest – man erhascht Einblicke in eine fremde, aber doch in sich schlüssige und vielfältige Kultur.
Für diesen gelungenen SF-Roman, der zeigt, daß deutsche Science Fiction nicht intellektuell langweilen oder trivial sein muß, sondern auch anregend unterhalten kann, gebührt Gisbert Haefs nach Meinung des Komitees der SFCD-Literaturpreis für den besten Roman des Jahres 1994.
Florian Breitsameter
– für das Literaturpreiskomitee –
April 1995