Laudatio 1999 Bester deutschsprachiger Roman

Andreas Eschbach:
Jesus Video

Das Jahrtausend neigt sich seinem Ende zu. Zumindest in der abendländischen Zeitrechnung, in der wir das Jahr 1999 schreiben. Das Jahr 1999 nach Christi Geburt, um genau zu sein.

Dabei weiß niemand so ganz genau, ob Jesus von Nazareth tatsächlich gelebt hat. Die schriftlichen Berichte über sein Leben, seine Taten und seinen Tod sind alle erst Jahrzehnte später entstanden. Andererseits geht es der Religion ja auch nicht um das Wissen – sondern um den Glauben. Aber was wäre, wenn man die Frage, ob Jesus tatsächlich gelebt hat, tatsächlich ein für allemal klären könnte?

In dem Roman „Jesus Video“, der hier ausgezeichnet werden soll, stellt sich den Protagonisten im Laufe der Handlung genau diese Frage. Stephen Foxx, ein amerikanischer Student, ist bei Ausgrabungen in Israel beschäftigt. In einem Grab findet er neben einem zweitausend Jahre alten Skelett eine ebenso alte, merkwürdige Grabbeigabe. Wobei merkwürdig eigentlich untertrieben ist, denn eigentlich sie ist unglaublich – es handelt sich nämlich um die Bedienungsanleitung für eine digitale SONY Videokamera, die noch nicht einmal auf dem Markt ist!

Ein Schwindel scheint ausgeschlossen, und so bleibt die Frage, wie diese Bedienungsanleitung in die Vergangenheit gelangen konnte. War der Tote vielleicht ein Zeitreisender, der eine Expedition ohne Rückfahrtticket unternahm? Einmal Israel und nicht zurück? Die Beteiligten sind sich einig, daß ein Besucher in dieser Zeit nur ein Ziel haben konnte: er wollte Jesus treffen und sogar Videoaufnahmen von ihm machen!

Man stelle es sich nur mal vor: zu Ostern würde man plötzlich keine Bibelschinken Marke Hollywood mehr vorgesetzt bekommen, sondern im Osterprogramm der großen Fernsehsender würden sich Originalaufnahmen der Kreuzigung finden!

Medienzar John Kaun, der die Ausgrabungen finanziert, wittert hier das ganz große Geschäft! Die katholische Kirche würde sicher gigantische Geldsummen zahlen, um in den Besitz dieser Aufnahmen zu gelangen. Aber auch Stephen Foxx hat den Ehrgeiz zusammen mit seinen Freunden das Rätsel zu lösen. Und so entwickelt sich ein Rennen um einen Gegenstand, dessen Existenz man nur vermuten kann: das „Jesus Video“.

Der dritte Roman von Andreas Eschbach trägt zurecht die Bezeichnung „Science Thriller“ auf dem Umschlag. Und wer dabei zuerst an Schriftsteller wie Michael Crichton denkt, liegt gar nicht mal so verkehrt. Eschbach gelingt es, die Elemente der Science Fiction in der von Wissenschaft, Realität und Logik geprägten Geschichte unterzubringen. Und damit beweist er einmal mehr, daß auch deutsche Autoren mitreißende Spannungsromane mit phantastischem Hintergrund verfassen können.

Überraschende Wendungen machen den Reiz des Buches aus. Insbesondere der Schluß zeigt, daß Eschbach dem alten Science Fiction-Thema der Zeitreise noch interessante und fesselnde Facetten abgewinnen kann.

Denn eigentlich geht es dem Autoren gar nicht darum die Frage zu behandeln, ob Jesus Christus wirklich gelebt und Wunder gewirkt hat. Wichtig sind die Konsequenzen, die sich daraus ergeben; die Botschaft Jesu Christi, die uns geblieben ist.

Und so vollzieht sich auch eine Wandlung bei den Hauptpersonen des Romans. Der Kontakt mit dem Mythos hat ihr Leben für immer verändert und sie „menschlicher“ gemacht. Und den Leser vielleicht ein wenig glücklicher.

„Jesus Video“ ist ein, in jedem Sinne des Wortes, phantastischer Roman: hintergründig, mitreißend und anspruchsvoll. All dies hat das Komitee dazu bewogen, „Jesus Video“ von Andreas Eschbach mit dem Deutschen Science Fiction Preis für den besten Roman des Jahres 1998 auszuzeichnen.

Florian Breitsameter und Ulrich Bettermann
– für das Preiskomitee –
Mai 1999