Laudatio 2007 Bester deutschsprachiger Roman

»Die fünf Seelen des Ahnen« von Ulrike Nolte
Atlantis Verlag, ISBN-10 3-936742-60-X

»Die fünf Seelen des Ahnen« von Ulrike Nolte

»Die fünf Seelen des Ahnen« von Ulrike Nolte

Ulrike Nolte entführt ihre Leser in eine ferne Zukunft, in der die Menschen auf der Suche nach einer neuen Erde in Generationsraumschiffen durch die Weiten des Weltalls ziehen. Ihren Heimatplaneten, die Erde, haben Sie restlos ausgeplündert und sich dadurch selbst ihrer Lebensgrundlage beraubt. Mit Unterlichtgeschwindigkeit haben sich die riesigen Archen jede für sich auf die Suche nach einer neuen Erde begeben. Eine davon stößt nach einer Jahrhunderte dauernden Reise auf eine Wasserwelt, auf der Menschen siedeln könnten.

Während die Crew sich aufgeregt anschickt, die Welt zu erforschen, steht die Mehrheit der Menschen dem Projekt skeptisch gegenüber – vor allem, als ein Crewmitglied bei einer Erkundungsmission fast ums Leben kommt und ohne Erinnerung an Bord des Schiffs zurück gebracht wird. Doch schon bald hegt die Kommandantin der Arche den Verdacht, dass der Mann womöglich überhaupt nicht der ist, für den er sich ausgibt, sondern ein außerirdischer Gestaltwandler. Eines jedoch ist sicher: Er ist der Schlüssel zum Rätsel des Planeten und zur Zukunft der Menschheit. Dieser kurze inhaltliche Abriss lässt vermuten, eine Space Opera in den Händen zu halten. Das klassische SF-Thema der Besiedelung eines unbekannten Planeten tritt im Laufe des Romans jedoch immer stärker in den Hintergrund.

Ulrike Nolte konzentriert sich weit mehr auf die Schilderung der sozialen Strukturen innerhalb des Raumschiffs und die Faktoren, die diese erzeugten.

Wie entwickeln sich geschlossene, menschliche Gesellschaften über Jahrzehnte hinweg? Die Autorin bietet ihren Lesern ein komplexes, ideenreiches Szenario, welches der Leser ansonsten in den voluminösen Werken aktueller SF-Größen vorfindet.

Wie erreicht man eine funktionierende und von allen akzeptierte Geburtenkontrolle? Ulrike Noltes Antwort auf diese Frage besteht in gleichgeschlechtlichen Beziehungen, die von der Schiffsführung aktiv propagiert und von der Mehrheit der Besatzungsmitglieder gelebt werden.

»Die fünf Seelen des Ahnen« verbindet ein spannendes, ideenreiches SF-Szenario mit einer utopischen, aber uns gar nicht einmal so fremden, Gesellschaftsform. Zudem vom Stil her ausgereift, hebt sich dieser Roman positiv von den anderen SF-Werken des vergangenen Jahres ab.

Aus diesen Gründen zeichnet das Komitee dieses Werk mit dem Deutschen Science Fiction Preis 2007 für den besten Roman des vergangenen Jahres aus.

Andreas Nordiek
– für das Preiskomitee –
September 2007