Laudatio 1997 Bester deutschsprachiger Roman

Andreas Eschbach:
Solarstation

Im Jahre 2015 ist es soweit – die erste Raumstation, die der Energiegewinnung mittels gigantischer Sonnensegel dienen soll, wird getestet. Eine neue Ära der Menschheitsgeschichte ist im Anbruch, denn die Ölvorräte sind am schwinden, und eine alternative Energiequelle ist dringend nötig.

Allerdings verrät der Name dieser Solarstation – „Nippon“ – bereits, daß sich der politische und wirtschaftliche Schwerpunkt im beginnenden 21. Jahrhundert deutlich verschoben hat. Denn dies ist eine japanische Raumstation.

Amerika hat die Raumfahrt eingestellt und feiert dies als gewaltige Sparmaßnahme, Europa war an seiner Vereinigung gescheitert und ist in die Bedeutungslosigkeit zurückgefallen und der arabische Raum erzittert angesichts eines blutigen Glaubenskrieges…

Und doch ist unser Held – ja im Gegensatz zum Vorjahresroman „Die Haarteppichknüpfer“ gibt es hier einen echten Helden – Leonard Carr ein Amerikaner. Geboren 1969 – im Jahre der gefeierten amerikanischen Mondlandung – beschloß er nach seinem Einsatz bei der Operation Desert Shield Astronaut zu werden. Durch den Verkauf der Shuttles an Japan und der Einstellung des amerikanischen Raumfahrtprogrammes, war er in Folge gezwungen sich dort um einen Job zu bemühen, um seinen Traum verwirklichen zu können.

Leonard hat es geschafft und ist der einzige Amerikaner im Weltraum. Doch an Bord der Solarstation ist er im Gegensatz zu seinen wissenschaftlichen und technischen Kollegen aus Asien nur für „Maintenance and Security“ zuständig. Und das läßt sich am besten als ein simpler Hausmeisterjob beschreiben, denn er ist vor allem mit der Reinigung, Müllentsorgung und der Essenszubereitung beschäftigt. Die „Security“, also die „Sicherheit“, war zumindest bisher kein Problem.

Doch mit dem Verdacht auf Sabotage ändert sich dies und schließlich geschieht gar ein Mord. Und bald stellt sich die Frage, ob die „Nippon“ nicht als tödliche Waffe zur Bedrohung für die ganze Welt wird…

Andreas Eschbach ist es als erster Autor in der Geschichte des SFCD-Literaturpreises gelungen zweimal in Folge das Literaturpreiskomitee mit einem Roman zu überzeugen.

Und dabei könnten „Die Haarteppichknüpfer“ und „Solarstation“ thematisch und inhaltlich unterschiedlicher kaum sein: Im Gegensatz zum absolut phantastischen und galaxienumgreifenden Geschehen steht nun ein sehr eng begrenzter Handlungsraum – eine kleine Raumstation , eine Handvoll Protagonisten und eine zwangsläufig sehr lineare Erzählweise.

Ja, dieser Roman ist ein spannender Thriller, der einen von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Aber es ist ein Verdienst des Autors, daß man quasi nebenbei auch viele technische Feinheiten einer permanenten Station im All kennenlernt, sich selbst fast schon schwerelos fühlt und prächtig unterhalten wird.

Dazu gehört eine wiederum sehr gelungene Komposition, die „Solarstation“ zu einem kompakten und in sich logischen Werk macht, das ohne Handlungstricks auszukommen vermag und immer überzeugt.

Für diesen wunderbaren und lesenswerten Roman gebührt Andreas Eschbach nach Meinung des Komitees der diesjährige SFCD-Literaturpreis in der Sparte Roman.

Florian Breitsameter
– für das Literaturpreiskomitee –
Juli 1997